Informationen über Kunden

Einräumung einer Kreditlinie

Bei der Festlegung der Kreditlimite wird das Risiko, das der Lieferant durch die Gewährung von Lieferantenkrediten eingeht, sowohl in der Höhe als auch in der Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmt. Einer vollständigen und angemessenen Würdigung und Interpretation der verfügbaren Bonitätsinformationen, sowie deren Überleitung in ein kalkulierbares, der Unternehmenssituation angemessenes Risiko, kommt eine zentrale Bedeutung zu. Die Einstellung von Kreditlimits je Kunde wird vorgenommen, um ein „Davonlaufen“ der offenen Posten (= OP) bei Kunden mit unzureichender Bonität zu verhindern. Mit der Überwachung des Kreditlimits achtet das Forderungsmanagement darauf, ob und in welchem Maße eine Belieferung der Kunden auf Kredit möglich ist. Ziel ist es einerseits den Aufbau hoher Forderungsbestände (insbesondere bei schlecht zahlenden Kunden) zu verhindern und andererseits das Risiko von Forderungsausfällen für den Lieferanten zu reduzieren.

Kreditlimits sind oft sehr restriktiv

Zuweilen gehen Unternehmen mit der Einräumung von Kreditlimits sehr restriktiv um. Oft besteht die grundsätzliche Festlegung, dass Kunden lediglich im Rahmen von zugeteilten Versicherungssummen der Warenkreditversicherer beliefert werden dürfen. Diese Verfahrensweise hat mehrere potenzielle Nachteile:

  • Der mögliche Umsatz mit einem Kunden wird durch die Warenkreditversicherung begrenzt.
  • Bei der Bonitätseinschätzung und -entscheidung verlässt sich der Lieferant ausschließlich auf einen externen Dienstleister, der jedoch ausschließlich nach den Kriterien des Warenkreditversicherers (und nicht nach Kriterien des Versicherungsnehmers) entscheidet (und entscheiden muss). Der Versicherer strebt danach, das eigene Risiko zu minimieren, nicht das Risiko des Lieferanten.
  • Unternehmensintern ist tendenziell niemand in der Lage, die Bonität und die Kreditwürdigkeit des Kunden einzuschätzen.
  • Eigene Erfahrungen in der Geschäftsbeziehung zwischen Lieferant und Kunde, die völlig anders als die Erfahrungen des Versicherers sein können, finden keine Beachtung.

Um diese Nachteile zu vermeiden, sollten Lieferanten in folgenden Fällen die Kreditlimitvergabe zumindest teilweise unabhängig von den Versicherungszusagen des Versicherers vornehmen:

  • Bei Kunden, die unterhalb einer Absicherungsgrenze, also auf eigenes Risiko, beliefert werden sollen. Diese Grenze ist durch die Unternehmensleitung festzulegen. Entsprechende Anpassungen in der Vertragsgestaltung mit der Warenkreditversicherung sind dann ggf. vorzunehmen.
  • Bei Kunden, bei denen das vom Versicherer zugeteilte Versicherungslimit nicht ausreichend ist, um das Geschäftsvolumen vollständig auszunutzen.

Voraussetzung für eine Kreditlimitvergabe, die ganz oder teilweise nicht durch die Warenkreditversicherung abgesichert ist, ist eine systematische Prüfung der Bonität und eine ebenso systematische Überleitung in eine Kreditlinie.

Die Höhe des Kreditlimits: ein Balanceakt

Die Höhe des je Kunden einzustellenden Kreditlimits muss einerseits dem Sicherheitsbedürfnis des Lieferanten („keine“ Forderungsausfälle) Rechnung tragen. Das bedeutet, dass ein potenzieller Forderungsausfall im Wert möglichst gering und hinsichtlich des Eintretens möglichst unwahrscheinlich sein sollte. Andererseits soll der Kreditlimitbetrag, bei vertragskonformem Verhalten des Kunden, auch eine reibungslose und effizient gestaltete Geschäftsbeziehung ermöglichen. Hinsichtlich der Risikoeinschränkung (Risikoreduktion) muss sich die Höhe des Kreditlimits an folgenden Faktoren orientieren:

  • Der in der Bonitätsprüfung (Bonitätsauskunft oder Bankauskunft) ermittelte Höchstkredit (vorgeschlagene Kreditrahmen) sollte generell möglichst nicht überschritten werden.
  • Der Bonitätsindex des Kunden muss möglichst gut (z. B. Wert „100“) sein, Negativmerkmale dürfen nicht vorliegen (z. B. Wert „500“ oder Wert „600“).
  • Die durch den Lieferanten festgelegten Bonitätsanforderungen je Limithöhe müssen erfüllt werden.

In seiner Funktion, die Geschäftsbeziehung effizient und entwicklungsfähig zu gestalten, muss das Kreditlimit so bemessen sein, das bei vertragskonformem Zahlungsverhalten keine Ablaufstörungen entstehen. In der Regel treten die Anforderungen hinsichtlich Ablaufeffizienz einerseits und hinsichtlich Risikominimierung andererseits in Konkurrenz. Wenn die Bonität des Kunden es nicht zulässt, eine Kreditlimithöhe einzustellen, die eine effiziente (reibungslose) Belieferung zulässt, muss der Lieferant den höheren, internen Aufwand für die Belieferung leider in Kauf nehmen. Egal, aus welchem Anlass heraus eine Kreditentscheidung zu treffen ist, erfolgt daher zunächst immer eine Bonitätsbewertung mit der integrierten, standardisierten Ableitung eines Kreditlimitvorschlags durch das Forderungsmanagement.

Schritte im Kreditvergabeverfahren

Bei der Kreditentscheidung handelt es sich also um ein mehrstufiges Vorgehen:

  • Zunächst wird eine Bonitätsbewertung durchgeführt und der Bonitäts- oder Risikoindex des Kunden ermittelt. Aufgrund des ermittelten Index wird der entsprechende Kreditbetrag ermittelt und im Kundenstammsatz eingestellt.
  • Liegt für den Kunden zusätzlich eine Bankauskunft vor, darf maximal lediglich der dort „bestätigte“ Betrag als Limit eingepflegt werden.
  • Handelt es sich dagegen um einen Kunden, der benannt versichert ist, darf zunächst nur der von Warenkreditversicherung genannte Versicherungsbetrag als Kreditlimit eingestellt werden.

Durch Einholung zusätzlicher Bonitätsinformationen bzw. durch zusätzliche Absicherung kann aber das tatsächlich einzustellende Kreditlimit über dem Kreditlimitvorschlag aus dem Standardverfahren liegen.

Abstimmung zwischen Forderungsmanagement und Vertrieb ist nötig

Die Kompetenz, Kreditentscheidungen zu treffen, sollte ausschließlich im Forderungsmanagement angesiedelt sein. Bei der Kreditentscheidung ist das Forderungsmanagement jedoch strikt an „Regeln zur Ableitung des Kreditlimits aus der Bonitätsbewertung“ gebunden. Diese Regeln sind im Unternehmen zu vereinbaren und verbindlich anzuwenden. Sie sind zwischen Finanzbereich und Vertrieb abgestimmt und stellen den gemeinsamen Konsens dar. Im Zeitablauf sind Änderungen an diesem Regelwerk möglich. Auf Wunsch eines Bereichs treten beide Bereiche zu Beratungen zusammen, um Veränderungen des Regelwerks vorzunehmen. Jede beabsichtigte Änderung der Regeln einerseits und jede Abweichung von den geltenden Regeln andererseits erfordert die Abstimmung mit dem Vertrieb. Jede Kreditentscheidung, die entsprechend der geltenden Regeln getroffen wurde (standardisierte Kreditentscheidung), bedarf keiner gesonderten Abstimmung mit dem Vertrieb und darf vom Forderungsmanagement ohne weitere Rücksprache umgesetzt werden. Durch Anwendung der abgestimmten Regularien wird sichergestellt, dass Kreditentscheidungen bis auf Ausnahmefälle konsensorientiert, jedoch ohne Abstimmungsbedarf im Einzelfall, getroffen werden können. Kann das Ergebnis der standardisierten Kreditentscheidung vom Vertrieb jedoch nicht akzeptiert werden, treten die Bereiche im Kreditausschuss zu einer Einzelfallentscheidung zusammen. Das nachfolgende Schaubild verdeutlicht das Verfahren bei Kreditentscheidungen:

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Kreditüberwachung – ein Muss!

Prozessimmanent sind alle Verkäufe an die Debitoren, bevor die Lieferung (am besten vor der Lieferzusage) erfolgt, daraufhin zu prüfen, ob die jeweilige Kreditlinie des Debitors ausreicht oder ob eine Lieferung die Kreditlinie des Kunden übersteigen würde. Bei der auftragsbezogenen Überwachung der Kreditlimite wird z. B. im Prozess der Warenlieferung angezeigt, dass der betreffende Kunde sein Kreditlimit erreicht bzw. überschritten hat. Je nach Unternehmensphilosophie sind die DV-Systeme an dieser Stelle unterschiedlich konfiguriert. Einerseits wird lediglich ein Warnhinweis angezeigt, der Liefervorgang jedoch fortgesetzt. Andererseits wird der Liefervorgang abgebrochen. Dies hat zur Konsequenz, dass bei einigen Unternehmen über das Limit hinaus geliefert werden kann, bei anderen Lieferanten jedoch nicht. Die Unternehmen, die mit einem „scharfen“ Kreditlimit arbeiten, haben in den Fällen, in denen das Kreditlimit erreicht wird festgelegt, dass eine Freigabe der Belieferung ausschließlich durch einen berechtigten Mitarbeiter des Finanz- und Rechnungswesens erfolgen darf. Bei wesentlichen Beträgen geschieht dies nur nach Rücksprache mit der Geschäftsführung.

Klare Abläufe sollten festgelegt werden

Um schnelle und zuverlässige Entscheidungen hinsichtlich einer möglichen Lieferung über das Limit hinaus treffen zu können, müssen die Entscheidungskompetenzen definiert und der Entscheidungsprozess beschrieben werden. Ziel muss es dabei sein, innerhalb einer tolerablen Frist (in der der Kunde ggf. auf eine Entscheidung wartet) eine verbindliche und fundierte Entscheidung zu treffen. Dazu wäre u.U. ein vergleichbares Verfahren denkbar: Erreicht die Summe aus OP Saldo des Kunden (bestehende Gutschriften des Kunden sind bereits abgezogen) und der erteilten Aufträge den Wert des Kreditlimits, wird der Auftrag, der aktuell für den Kunden erfasst wird, in den Kredithold gestellt. Dieser Auftrag steht dann nicht für die weitere Bearbeitung zur Verfügung. Bei der Erfassung der Aufträge ist eine Meldung anzuzeigen, wenn der Auftrag in den Kredithold gestellt wird. Aufträge im Kredithold werden aktuell durch das Forderungsmanagement bearbeitet. Zu diesem Zweck erhält das Forderungsmanagement sofort eine Mailnachricht über Aufträge im Kredithold aus dem Datenverarbeitungssystem. Das Forderungsmanagement prüft bei dem dort aufgeführten Kunden, ob eine temporäre Lieferung über das eingestellte Limit hinaus möglich ist, eine dauerhafte Erhöhung des eingestellten Kreditlimits erforderlich und möglich ist und welche Handlungsmöglichkeiten bestehen, wenn keine Belieferung auf Ziel möglich ist.

Temporäre Belieferung über Kreditlimit – eine Einzelfallentscheidung

Eine temporäre Belieferung über das eingestellte Kreditlimit hinaus ist in Einzelfällen erlaubt, wenn:

  • der Kunde keine fälligen OP aufweist und
  • Skontozahler oder regelmäßiger Nettozahler ist (Day Sales Outstanding DSO ≤ Nettozahlungsziel) oder
  • die Limitüberschreitung lediglich aufgrund der Auftragswerte entsteht (OP Saldo ≤ Kreditlimit) oder
  • die Limitüberschreitung durch eine besondere Auftrags- / Bestellkonstellation (Bestellspitzen) entstanden ist oder
  • der Kunde Lastschriftzahler ist und der Lieferant es versäumt hat, die Lastschrift pünktlich einzuziehen und
  • gleichzeitig sichergestellt ist, dass die Einhaltung des bestehenden Limits durch kurzfristig eingehende Zahlungen innerhalb einer kurzen Frist (1 Woche) wieder gewährleistet ist.

Eine Freigabe von Aufträgen im Kredithold (temporäre Lieferung über das Kreditlimit hinaus) ist nicht möglich, wenn der Kunde fällige OP aufweist. Erfüllt der jeweilige Kunde eine der o.g. Bedingungen, gibt das Forderungsmanagement den Auftrag / die Aufträge bis zur festgelegten maximalen Höhe frei. Die Aufträge werden dadurch wieder in den automatisierten Prozess der Weiterbearbeitung aufgenommen.

Kreditlimit erhöhen – oder doch nicht?

Wenn eine temporäre Belieferung über das Kreditlimit hinaus nicht erlaubt ist, prüft das Forderungsmanagement, ob eine dauerhafte Erhöhung des Kreditlimits möglich ist. Dazu werden zunächst die vorliegenden Bonitätsbewertungen auf ihre Aktualität hin geprüft. Sind die Daten nicht aktuell, werden eine Bonitätsbewertung und eine Neuvergabe des Kreditlimits entsprechend des Standardverfahrens vorgenommen. Ist im Ergebnis eine Limiterhöhung zulässig, wird das Limit eingestellt und die Aufträge werden bis maximal zu diesem Limit freigegeben. Sind die vorliegenden Bonitätsinformationen aktuell (und damit auch die Bonitätsbewertung und das Kreditlimit) oder führt eine aktuelle Bewertung nicht zu einer Limiterhöhung, ist keine Auftragsfreigabe möglich. In diesen Fällen prüft das Forderungsmanagement die Handlungsoptionen, um möglichst schnell wieder eine Belieferung des Kunden zu ermöglichen. Handlungsoptionen sind z. B.

  • Zahlung fälliger OP
  • vorzeitige Bezahlung noch nicht fälliger OP
  • Verkürzung der Zahlungsziele
  • Lieferung des Auftrags gegen Vorauskasse oder Nachnahme
  • Gestellung von Sicherheiten (z. B. Bankbürgschaft, Garantierklärung, Forderungsabtretung)

Anschließend informiert das Forderungsmanagement den Vertrieb per Mail über die Nichtfreigabe der Aufträge und die bestehenden Handlungsoptionen. Die Kommunikation über die Nichtfreigabe und die Diskussion der weiteren Verfahrensweise mit dem Kunden ist die Aufgabe des Vertriebs. Ist der Vertrieb mit der Entscheidung nicht einverstanden, kann er eine Einzelfallentscheidung zum Kreditlimit gemäß oben beschriebenem Verfahren veranlassen.

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